Freiwilligendienst (FSJ, BFD): Nur etwas für Kinder reicher Eltern?

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Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und der Bundesfreiwilligendienst (BFD) sind beliebte Orientierungsjahre für junge Menschen nach der Schule. Sie bieten die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln, sich sozial zu engagieren und erste Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu gewinnen. Doch immer wieder taucht die Frage auf: Können sich nur Kinder aus wohlhabenden Familien einen Freiwilligendienst leisten?

Taschengeld und finanzielle Unterstützung

Während des Freiwilligendienstes erhalten Teilnehmende ein monatliches Taschengeld. Beim BFD liegt dieses bei maximal 644 Euro, beim FSJ ebenso (2025). Gezahlt wird jedoch meist weniger, da die Einsatzstelle bzw deren Träger über die Höhe des ausgezahlten Taschengeldes entscheidet. Hinzu kommen oft Sachleistungen wie Verpflegung, Unterkunft oder ein Zuschuss zu den Fahrtkosten. Sozialversicherungsbeiträge werden übernommen, und der Anspruch auf Kindergeld bleibt bestehen. Dennoch bleibt das Taschengeld meist unter dem Existenzminimum, sodass viele Freiwillige auf finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen sind.

Soziale Ungleichheit beim Zugang

Die finanzielle Lage der Familie spielt eine entscheidende Rolle, ob junge Menschen einen Freiwilligendienst absolvieren können. Studien zeigen, dass ein Großteil der Teilnehmenden einen hohen Bildungsabschluss (Abitur) hat und aus finanziell gut gestellten Haushalten stammt. Viele Jugendliche aus einkommensschwachen Familien entscheiden sich gegen einen Freiwilligendienst, weil das Taschengeld zu niedrig ist und sie zum Familieneinkommen beitragen müssen. Besonders betroffen sind auch junge Menschen mit Migrationshintergrund, deren Eltern oft auf einen schnellen Einstieg ins Berufsleben drängen.

Auswirkungen auf Sozialhilfe und Bürgergeld

Für Jugendliche, deren Eltern staatliche Unterstützung wie Bürgergeld beziehen, kann das Taschengeld aus dem FSJ oder BFD als Familieneinkommen gewertet und mit der Sozialhilfe verrechnet werden – allerdings nur, wenn sie älter als 25 Jahre sind und das Taschengeld über 520 Euro beträgt, was selten der Fall ist. Werden jedoch Leistungen für Unterkunft, Verpflegung oder Fahrtkosten gezahlt, gelten diese als eigenes Einkommen und werden vom Bürgergeld abgezogen.

Neue Möglichkeiten: Teilzeit und Flexibilität

Seit Mai 2024 können Jugendliche unter 28 Jahren den Freiwilligendienst auch in Teilzeit absolvieren. Dadurch besteht die Möglichkeit, zusätzlich zum Taschengeld etwas hinzu zu verdienen und so die finanzielle Last zu verringern. Diese Flexibilität erleichtert es auch Jugendlichen aus weniger wohlhabenden Familien, einen Freiwilligendienst zu machen.

Zusammenfassung: Freiwilligendienst ist nicht nur für Reiche

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein Freiwilligendienst ist nicht ausschließlich für Kinder reicher Eltern geeignet, aber die finanzielle Situation der Familie beeinflusst den Zugang deutlich. Wer zu Hause wohnen kann und Unterstützung erhält, hat es leichter. Die Einführung von Teilzeitstellen und die Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen sind wichtige Schritte, um den Freiwilligendienst für alle zugänglicher zu machen. Dennoch bleibt die Forderung nach einer höheren finanziellen Anerkennung bestehen, um soziale Ungleichheit weiter abzubauen.

Hinweis: Wer sich für einen Freiwilligendienst interessiert, sollte sich frühzeitig über die Bewerbungsfristen und die jeweiligen Leistungen informieren. Die Bewerbung erfolgt direkt bei den Trägern, die auch über die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung Auskunft geben.

Redakteure

  • Sabine Martholt Redakteurin bei Bundesfreiwilligendienst

    Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.

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  • Ingo Kosick, Redakteur und Experte bei Bundesfreiwilligendinst
    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er hat sich über drei Jahrzehnte lang intensiv mit Themen wie Freiwilligendiensten und sozialer Arbeit auseinandergesetzt. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der unter anderem die Plattformen www.bundes-freiwilligendienst.de und www.buerger-geld.org betreibt, spielt er eine zentrale Rolle in der Förderung und Information über Freiwilligendienste wie den Bundesfreiwilligendienst (BFD) und das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Ingo Kosick ist nicht nur ein Gründungsmitglied des Vereins, sondern auch redaktionell verantwortlich für mehrere Online-Plattformen, die sich mit sozialen Themen beschäftigen. Sein Engagement umfasst die Bereitstellung von Informationen zu sozialen Rechten und Pflichten, insbesondere im Kontext von Bürgergeld und Freiwilligendiensten. Durch seine Arbeit trägt er maßgeblich zur Aufklärung und Unterstützung von Freiwilligen und Interessierten bei.

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