Recht auf Freiwilligendienst: Wie und wann kann ein Rechtsanspruch umgesetzt werden?

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Der Ruf nach einem Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst wird in Deutschland immer lauter. Vor allem im Kontext aktueller Debatten um eine mögliche Dienstpflicht und angesichts der Herausforderungen in der Zivilgesellschaft gewinnt die Idee an Bedeutung. Doch was bedeutet ein solcher Rechtsanspruch konkret, wie könnte er umgesetzt werden und welche Chancen bietet er für die Gesellschaft?

Was ist der Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst?

Ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst würde bedeuten: Jede Person, die Interesse an einem freiwilligen Engagement hat und gemeinsam mit einer Einsatzstelle und einem Träger eine Vereinbarung abschließt, erhält automatisch einen Platz im Freiwilligendienst – unabhängig von Wohnort, Herkunft oder finanziellen Möglichkeiten. Die Finanzierung des Dienstes wäre durch den Bund gesichert, sodass keine Budgetengpässe oder ausgereizte Kontingente mehr bestehen.

Warum ist ein Rechtsanspruch wichtig?

Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) oder der Bundesfreiwilligendienst (BFD) sind ein Gewinn für die Gesellschaft: Sie stärken das soziale Miteinander, fördern die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und bieten praktische Einblicke in verschiedene Berufsfelder. Dennoch bleibt das Potenzial der Freiwilligendienste bislang unausgeschöpft – viele Interessierte finden keinen passenden Platz oder scheitern an finanziellen Hürden.

Ein Rechtsanspruch würde Zugangsbarrieren abbauen, die Zielgruppen erweitern und die gesellschaftliche Teilhabe fördern. Besonders wichtig ist dabei ein existenzsicherndes Freiwilligengeld, das sich am BAföG-Höchstsatz orientiert, sodass der Dienst für alle möglich ist – unabhängig vom Elternhaus.

Wie könnte der Rechtsanspruch umgesetzt werden?

Die Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst ist ohne Grundgesetzänderung möglich. Die zentralen Eckpunkte sind:

  • Rechtsanspruch auf Förderung: Jede Vereinbarung zwischen Freiwilligen, Einsatzstellen und Trägern wird automatisch durch den Bund gefördert. Die Finanzierung ist damit langfristig und unabhängig von jährlichen Haushaltsverhandlungen gesichert.
  • Existenzsicherndes Freiwilligengeld: Die Höhe des Freiwilligengeldes orientiert sich am BAföG-Höchstsatz, sodass der Lebensunterhalt während des Dienstes gesichert ist.
  • Individuelle Beratung: Alle jungen Menschen erhalten nach dem Schulabschluss eine persönliche Einladung und Beratung zu den Möglichkeiten eines Freiwilligendienstes.
  • Inklusion und Nachteilsausgleich: Einsatzstellen und Träger werden durch gezielte Förderung in die Lage versetzt, auch benachteiligte Gruppen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen. Das Bundesteilhabegesetz wird konsequent angewendet.

Wann könnte der Rechtsanspruch Realität werden?

Die Idee eines Rechtsanspruchs wurde bereits 2018 von verschiedenen Verbänden und Parteien aufgegriffen. In den Programmen zur Bundestagswahl 2021 haben SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen entsprechende Forderungen aufgenommen. Allerdings fehlt es bislang an einem ausgearbeiteten Umsetzungskonzept und an einer verbindlichen Regelung im Koalitionsvertrag.

Mit dem Vorstoß von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht und dem aktuellen Forderungspapier, das im Juni 2024 auf der Bundespressekonferenz vorgestellt wurde, ist das Thema wieder auf der politischen Agenda3. Ziel ist es, die Anzahl der Freiwilligendienste bis 2030 zu verdoppeln – auf 200.000 Plätze pro Jahr – und dabei auf eine Dienstpflicht zu verzichten.

Zusammenfassung: Das Recht auf einen Freiwilligendienst

Ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst wäre ein Meilenstein für die Zivilgesellschaft. Er würde die gesellschaftliche Teilhabe stärken, die Demokratie fördern und jungen Menschen neue Perspektiven eröffnen. Die Umsetzung ist rechtlich möglich und könnte mit einer nachhaltigen Finanzierung sowie inklusiven Beratungsstrukturen gelingen.

Die Zeit ist reif, um den Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst endlich umzusetzen – für eine vielfältige, solidarische und engagierte Gesellschaft.

Redakteure

  • Sabine Martholt Redakteurin bei Bundesfreiwilligendienst

    Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.

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  • Ingo Kosick, Redakteur und Experte bei Bundesfreiwilligendinst
    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er hat sich über drei Jahrzehnte lang intensiv mit Themen wie Freiwilligendiensten und sozialer Arbeit auseinandergesetzt. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der unter anderem die Plattformen www.bundes-freiwilligendienst.de und www.buerger-geld.org betreibt, spielt er eine zentrale Rolle in der Förderung und Information über Freiwilligendienste wie den Bundesfreiwilligendienst (BFD) und das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Ingo Kosick ist nicht nur ein Gründungsmitglied des Vereins, sondern auch redaktionell verantwortlich für mehrere Online-Plattformen, die sich mit sozialen Themen beschäftigen. Sein Engagement umfasst die Bereitstellung von Informationen zu sozialen Rechten und Pflichten, insbesondere im Kontext von Bürgergeld und Freiwilligendiensten. Durch seine Arbeit trägt er maßgeblich zur Aufklärung und Unterstützung von Freiwilligen und Interessierten bei.

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