Ein klassischer, verpflichtender Zivildienst ist noch nicht beschlossen, aber die Politik prüft konkret ein Comeback – ausdrücklich auch mit Blick auf das neue Wehrdienstgesetz und die Lücken im sozialen Bereich. Für Bundesfreiwilligendienst (BFD) und FSJ wäre ein solcher Zivildienst einerseits klare Konkurrenz, andererseits auch ein möglicher Hebel für bessere Bezahlung und mehr Aufmerksamkeit für Freiwilligendienste.
Hintergrund: Neuer Wehrdienst und verfassungsrechtlicher Ersatzdienst
Mit dem Wehrdienst-Modernisierungsgesetz wird ab 2026 ein neuer Wehrdienst eingeführt, der formal freiwillig beginnt, aber verpflichtende Elemente wie Erfassung und Musterung vorsieht. Wenn daraus später eine echte Wehrpflicht würde, müsste es aus verfassungsrechtlichen Gründen wieder einen zivilen Ersatzdienst geben, weil das Grundgesetz das Recht auf Kriegsdienstverweigerung garantiert.
Genau an dieser Stelle setzt die aktuelle Debatte um einen neuen Zivildienst an: Der Staat braucht verlässliche Strukturen für einen möglichen Ersatzdienst, gleichzeitig kämpfen soziale Einrichtungen seit Jahren mit Personalmangel. Viele Akteure sehen in einem modernen Zivildienst die Chance, Sicherheits- und Sozialpolitik miteinander zu verbinden.
MDR-Bericht: Warum der Zivildienst „offenbar zurückkommen soll“
Der MDR berichtet, dass in der Bundesregierung und den Ländern ernsthaft geprüft wird, den 2011 abgeschafften Zivildienst neu aufzulegen, um das Wehrdienstgesetz zu ergänzen. Das Bundesfamilienministerium hat demnach bereits erste Gespräche mit Trägern und Verbänden bestätigt, die Einsatzfelder und Finanzierungsfragen für einen möglichen neuen Zivildienst ausloten.
Im MDR-Bericht warnen Praktiker aus Thüringen davor, dass ein schlecht gemachter Pflichtdienst die Freiwilligendienste ausbremsen könnte, wenn Freiwillige schlechter gestellt sind als Zivildienstleistende. Zugleich fordern sie, einen neuen Zivildienst eng an bestehende Strukturen anzudocken und vor allem die Bezahlung deutlich anzuheben.
Geld, Plätze, Attraktivität: Wo der Druck im System entsteht
Schon jetzt reichen Taschengelder im BFD und FSJ in vielen Fällen nicht fürs tägliche Leben, häufig liegen sie deutlich unter 400 Euro im Monat. Fachleute im MDR-Beitrag fordern, dass ein möglicher Zivildienst mindestens auf BAföG-Niveau vergütet werden müsse, also im oberen dreistelligen Bereich – sonst sei der Dienst für junge Menschen aus nicht wohlhabenden Familien kaum machbar.
Zusätzlich verschärfen Kürzungen: Für 2025 sind Mittelkürzungen von rund zwölf Prozent im Bereich der Freiwilligendienste angekündigt, was bei Trägern die Sorge vor Platzabbau und Unsicherheit verstärkt. Kommt nun parallel ein gut ausgestatteter Zivildienst, droht ein Ungleichgewicht: Pflichtdienst attraktiv finanziert, Freiwilligendienst unterfinanziert.
Konkurrenz oder Synergie: Zivildienst vs. BFD und FSJ
Verbände und Jugendorganisationen betonen, dass ein neuer Zivildienst nicht gegen, sondern nur mit den Freiwilligendiensten funktionieren kann. Diskutiert wird ein Modell, in dem ein möglicher Ersatzdienst über anerkannte Freiwilligendienstformate wie FSJ, FÖJ oder BFD abgeleistet werden kann – also „Zivildienst im Freiwilligendienst“, statt eines parallelen Pflichtsystems.
Gleichzeitig warnen Wohlfahrtsverbände und Träger davor, Zivildienstleistende als billigen Personalausgleich zu missbrauchen und damit reguläre Stellen im Sozial- und Pflegebereich zu verdrängen. Sie fordern, dass Freiwillige und Pflichtdienstleistende gleichwertig behandelt, berufliche Perspektiven eröffnet und pädagogische Begleitung sowie Bildungszeiten verbindlich abgesichert werden.
Was bedeutet verpflichtender Zivildienst für junge Menschen?
Kurzfristig bleibt es bei einem freiwilligen Wehrdienst und freiwilligen sozialen Diensten; niemand muss derzeit Zivildienst leisten. Ab 2026 sollen zwar alle jungen Menschen angeschrieben und insbesondere Männer wieder systematisch erfasst und gemustert werden, doch eine allgemeine Dienstpflicht ist politisch noch nicht beschlossen.
Langfristig ist jedoch klar: Wenn der neue Wehrdienst nicht genügend Freiwillige findet oder sich die Sicherheitslage weiter zuspitzt, könnte eine Rückkehr zur Wehrpflicht mit neuem Zivildienst auf die politische Agenda rücken. Für junge Menschen heißt das: Wer sich ohnehin engagieren will, profitiert eher von einem Ausbau und einer Aufwertung der Freiwilligendienste; wer militärische Dienste ablehnt, muss die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen, weil ein moderner Zivildienst wieder zur realen Option werden kann.