G9-Umstellung: Tausende Freiwillige fehlen 2025 in soziale Einrichtungen

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Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) in vielen Bundesländern bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich. Eine der unerwarteten Folgen: Der Wegfall eines Abiturjahrgangs im Jahr 2025 führt zu einem massiven Rückgang an jungen Menschen, die sich für Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst (BFD) engagieren. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe, Auswirkungen und mögliche Lösungsansätze.

Warum fällt ein Abiturjahrgang weg?

Die Umstellung vom achtjährigen Gymnasium (G8) zurück auf G9 bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler künftig ein Jahr länger bis zum Abitur benötigen. Während der letzte G8-Jahrgang 2024 sein Abitur ablegte, wird der erste G9-Jahrgang erst 2026 folgen. Dadurch entsteht im Jahr 2025 eine Lücke, in der nur sehr wenige Schüler die Schule mit dem Abitur abschließen. In Bayern beispielsweise sinkt die Zahl der Abiturienten von rund 34.000 im Vorjahr auf etwa 5.900 – ein Rückgang von über 80 %.

Welche Folgen hat der fehlende Abiturjahrgang für Freiwilligendienste?

Junge Menschen mit Abitur stellen einen großen Teil der Freiwilligen in sozialen Einrichtungen. In Bayern beispielsweise machen sie etwa 40 % der Teilnehmer an FSJ und BFD aus. Der drastische Rückgang der Absolventen bedeutet, dass Tausende potenzielle Freiwillige fehlen werden. Dies hat weitreichende Folgen:

  • Personalmangel in sozialen Einrichtungen: Organisationen wie das Rote Kreuz, die Caritas und die Malteser sind auf Freiwillige angewiesen, um wichtige Aufgaben in Krankenhäusern, Kitas und Behinderteneinrichtungen zu übernehmen.
  • Weniger Zuschüsse: Viele Förderungen für soziale Einrichtungen sind an die Anzahl der Freiwilligen gekoppelt. Ein Rückgang könnte finanzielle Engpässe verursachen.
  • Engpässe im Rettungsdienst: Besonders betroffen ist der Krankentransport, wo Freiwillige oft eine zentrale Rolle spielen.

Wie reagieren soziale Einrichtungen und die Politik?

Die Situation stellt sowohl die Träger sozialer Einrichtungen als auch die Politik vor große Herausforderungen. Erste Maßnahmen und Überlegungen sind bereits im Gespräch:

  • Intensivere Werbung für Freiwilligendienste: Organisationen planen, verstärkt junge Menschen ohne Abitur anzusprechen und den Mehrwert eines FSJ oder BFD hervorzuheben.
  • Politische Unterstützung: Das Bayerische Sozialministerium arbeitet an Konzepten zur Unterstützung der betroffenen Einrichtungen, allerdings sind konkrete Maßnahmen noch nicht beschlossen.
  • Alternative Zielgruppen: Es wird diskutiert, ob auch Auszubildende oder Studierende stärker für Freiwilligendienste gewonnen werden können.

Langfristige Perspektiven: Chancen durch G9

Trotz der aktuellen Herausforderungen bietet die Rückkehr zu G9 langfristig auch Chancen:

  1. Stabileres Bildungssystem: Die Kritik am G8-Modell führte zur Entscheidung für G9, das als nachhaltiger und weniger stressbelastend gilt.
  2. Mehr Zeit für Engagement: Mit einem zusätzlichen Schuljahr könnten Schülerinnen und Schüler besser auf freiwilliges Engagement vorbereitet werden.
  3. Neue Strategien für Nachwuchsgewinnung: Die aktuelle Krise zwingt soziale Einrichtungen dazu, innovative Ansätze zur Rekrutierung von Freiwilligen zu entwickeln.

Was können junge Menschen tun?

Die aktuelle Situation bietet auch Chancen für diejenigen, die sich engagieren möchten:

  • Höhere Nachfrage nach Freiwilligen: Wer sich jetzt für ein FSJ oder BFD entscheidet, kann mit einer besonders großen Wertschätzung und vielen Einsatzmöglichkeiten rechnen.
  • Persönliche Entwicklung: Ein Freiwilligendienst bietet nicht nur berufliche Orientierung, sondern auch wertvolle Erfahrungen im sozialen Bereich.

Fazit: Ein Jahr mit Herausforderungen und Chancen

Der Wegfall eines Abiturjahrgangs durch die G9-Umstellung stellt soziale Einrichtungen vor erhebliche Probleme. Gleichzeitig bietet diese Situation die Möglichkeit, neue Wege in der Nachwuchsgewinnung zu gehen und langfristig von einem stabileren Bildungssystem zu profitieren. Junge Menschen haben jetzt die Chance, eine besonders wichtige Rolle in sozialen Diensten einzunehmen – eine Erfahrung, die nicht nur anderen hilft, sondern auch das eigene Leben bereichern kann.

Redakteure

  • Sabine Martholt Redakteurin bei Bundesfreiwilligendienst

    Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.

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  • Ingo Kosick, Redakteur und Experte bei Bundesfreiwilligendinst
    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er hat sich über drei Jahrzehnte lang intensiv mit Themen wie Freiwilligendiensten und sozialer Arbeit auseinandergesetzt. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der unter anderem die Plattformen www.bundes-freiwilligendienst.de und www.buerger-geld.org betreibt, spielt er eine zentrale Rolle in der Förderung und Information über Freiwilligendienste wie den Bundesfreiwilligendienst (BFD) und das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Ingo Kosick ist nicht nur ein Gründungsmitglied des Vereins, sondern auch redaktionell verantwortlich für mehrere Online-Plattformen, die sich mit sozialen Themen beschäftigen. Sein Engagement umfasst die Bereitstellung von Informationen zu sozialen Rechten und Pflichten, insbesondere im Kontext von Bürgergeld und Freiwilligendiensten. Durch seine Arbeit trägt er maßgeblich zur Aufklärung und Unterstützung von Freiwilligen und Interessierten bei.

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